Suite de Lorca



Nach der Interims-Chorleitung durch Thorsten Gietz übernahm Ulrike Grosch die künstlerische Leitung des Kronenchors. Sie begann ihre Arbeit im Februar 1995, und im Juni und Juli dieses Jahres kam es zu den ersten Konzerten.


Ein Programm, in dessen Mittelpunkt die Suite de Lorca des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara stand, die durch französische, englische und deutsche Madrigale ergänzt wurde.


Neben dem Kronenchor traten in diesem Programm die Sopranistin Barbara Ewald, die Gitarristin Solvejg Franke und die Flötistin Margarete Sendelbach auf.


Die Konzerte fanden in der Dorfkirche von Berlin-Mahlsdorf, in der Versöhnungsgemeinde in Berlin-Wedding und in der Elisabethkirche in Berlin-Mitte statt.


Das Programm

T. Arbeau
Pavane

P. Certon
Je ne l’ose dire

Claudin
Languir me fais

Pierre Attaignant
Tourdion

John Dowland
Awake sweet love (Sopran/Gitarre)
Come heavy sleep (Sopran/Gitarre)
Go from my window (Gitarre)
I saw my lady weep (Sopran/Gitarre)

John Dowland
Come away, come sweet love
Thomas Morley
April is in my mistress’ face
John Wilbey
Adieu, sweet Amarilis

John Dowland
Come again (Sopran/Gitarre)
Sweet, stay awhile (Sopran/Gitarre)
The Earl of Essex Gaillard (Gitarre)
Weepe no more (Sopran/Gitarre)

L. Lechner
Gott b’hüte dich
H. L. Hassler
Jungfrau dein schön Gestalt
Ich brinn und bin entzündt
J. Jelp
Ach Schatz, ich muß mich scheiden

A. Villa-Lobos
Prelude Nr. 4 (Gitarre)
L. Brouwer
Estudios sencillos, XVI (Gitarre)
D. Fuerta
Malagenas (Gitarre)

Einojuhani Rautavaara
Suite de Lorca


Hier der Text des damaligen Programmheftes:
Das Italien des 16. Jahrhunderts war der Inbegriff des höfischen Renaissance-Lebens. Es war eine Blütezeit der Künste, und Musiker aus ganz Europa kamen, um hier zu studieren und zu arbeiten.
Als weltliche vokale Ausdrucksform hatte das Madrigal zweifellos die größte Bedeutung. Es handelte sich dabei um mehrstimmige (weltliche) Lieder, deren Ausdruckspalette vom Frivolen oder Pastoralen bis hin zum Ernsten und Leidenschaftlichen reichte. Wichtigstes Stilmittel war die Unterstreichung und Überhöhung bestimmter bildhafter Worte oder Textphrasen durch musikalische Ideen (sogenannte Madrigalismen), Verfahrensweisen, die man heute mit Begriffen wie Wort- bzw. Tonmalerei oder Affektdarstellung bezeichnet. So bewegten sich in schwermütigen Passagen alle Stimmen meistens in tiefer Lage mit langsamem Tempo; fiel dagegen das Wort Tanz, wechselten die Stimmen beispielsweise vom vorher durchgängigen 2er zum 3er Metrum.

Beinahe alle großen Komponisten der Renaissance befaßten sich mit dieser von Italien ausgegangenen Gattung oder ihrer Gesellin, der französischen Chanson. Die zugrundegelegten Texte sind meist an die Geliebte oder an Amor gerichtete Liebesklagen. Das Flair des Ganzen ist leicht, die Musik diatonisch und mit wenigen Vorzeichen versehen. In Frankreich war zudem der Tanz äußerst populär, das erklärt die Überlieferung zahlreicher Tanzlieder und -sätze.

Zu den wichtigsten Vertretern der englischen Madrigalisten zählen Thomas Morley (1557-1602), der als erster Engländer ein Buch mit madrigalähnlichen Originalkompositionen veröffentlichte, und John Wilbey (1574-1638), der in seinen Kompositionen eine tiefe, emotionale Schicht aufspürt, dabei aber jeden plötzlichen dramatischen Ausbruch vermeidet.

John Dowland (1563-1626) gilt als einer der größten Liedkomponisten aller Zeiten. Sein erstes von insgesamt vier Liederbüchern (Books of Songs and Ayres – 1597) erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit. Es enthielt von jedem Lied zwei Fassungen: auf der einen Seite eine Fassung für Sologesang und Laute, auf der gegenüberliegenden Seite die weiteren Stimmen, rechtwinklig angeordnet für die um den Tisch sitzenden Sänger. Überhaupt richtete sich die weltliche Musik der Renaissance eher an die Ausführenden, als an ein zuhörendes Publikum. Es gab keine öffenlichen Konzerte, wohl aber Gelegenheiten, bei denen eine Auswahl aus einem Madrigalbuch im kleinen Kreis bei Hofe aufgeführt wurde. John Dowlands ernste, durchkomponierte Gesänge erreichten durch gezielt eingesetzte Chromatik und Dissonanzen einen hohen Grad an Expressivität. Er war zudem ein großer Meister der Lautenkunst, reiste durch ganz Europa und lehrte an verschiedenen Universitäten, bevor ihm – erst gegen Ende seines Lebens – in England die lang ersehnte Anerkennung zuteil wurde.

In Deutschland gehörten zu den bedeutendsten Madrigalkomponisten Leonhard Lechner (1553-1606) und Hans Leo Hassler (1562-1612). Liebesschmerz und Abschied sind auch hier die zentralen Themen, wobei einige der Hasslerschen Madrigale durch ihren Ideenreichtum zu den Besten der ganzen Epoche gezählt werden.

Im letzten Teil des Programms soll der Epoche der Renaissance weltliche Musik unseres Jahrhunderts gegenübergestellt werden. (…) Einojuhani Rautavaara, 1928 in Helsinki geboren, reiste in den 50er Jahren durch Europa und Amerika, wo er zahlreiche Anregungen erhielt, die er in seinen Kompositionen verarbeitete. Die Suite de Lorca entstand 1973. Rautavaaras musikalische Sprache gliedert sich in folkloristische Elemente ebenso wie vokale Techniken des 20. Jahrhunderts. Seine eng am natürlichen Sprachrhythmus und -klang orientierte Musik zeigt eine tiefe und sensible Verbindung zum Inhalt und den Bildern der Lorcaschen Dichtung.

Federico Garcia Lorca, geboren am 11. Juni 1898 in Fuente Vaqueros (Provinz Granada) im südlichen Andalusien, wurde am Morgen des 19. August 1936 von den Falangisten, den spanischen Faschisten, erschossen.

Dazwischen liegt das Leben des nach Cervantes wohl bedeutendsten Dichters Spaniens. Lorca zeichnete, spielte Klavier und schrieb seine ersten Gedichte mit 17 Jahren. Zu seinen Freunden gehörten unter anderen Manuel de Falla, Luis Bunuel und vor allem Salvador Dali, mit dem ihn eine innige, tragisch endende Freundschaft verband.

Als er 1921 seine Poemas del Cante Jondo (Gedichte vom tiefen Gesang) veröffentlichte, wurde er schlagartig im ganzen Land bekannt. In ihnen beginnt sich auch schon sein gebrochenes Verhältnis zu seiner Homosexualität niederzuschlagen, das sich in den späteren Jahren vor allem in den tragischen Frauenfiguren seiner Dramen wiederspiegelt. Durch sein gesamtes dichterisches Werk zieht sich die unerreichte, unerfüllbare Liebe – die Liebespein – einhergehend mit dem Tod. Seine Symbolik lehnt sich stark an die mystischen Bilder andalusischer Überlieferungen an, die in der arabischen, jüdischen, frühchristlichen und vor allem der Kultur der Gitanos wurzeln.

So verkörperte der Mond, ein zentrales Motiv seiner Dichtung, in Cuando sale la luna zwei scheinbare Gegensätze: die Liebe und den Tod. Der Mond, in den romanischen Sprachen weiblich (la luna), ist jedoch kein Synonym für den Tod (la muerte). Er steht für die unerreichbare, sich aller irdischen, sinnlichen Empfindungen versagende Liebe. Kalt und bleich kommt er daher, während das Meer, aus dem das Leben kommt, das für die irdische Wirklichkeit und für das geheimnisvolle Ungewisse steht, sich auf der Erde ausbreitet. Niemand findet dann den Genuß des Körperlichen, und es bleibt nur, ‘sich grüne, erstarrte Früchte zu brechen…’



Das 3. Projekt des Kronenchors