NICHT ZU

FASSEN


Konzerte am 16. und 17. April 2016 in der Kirche auf dem Tempelhofer Feld


Kronenchor Friedrichstadt unter der Leitung von Marie Eumont


Jean de Richafort, Requiem
Josquin des Prez, Ave Maria zu 6 Stimmen
Jacob Handl, Duo Seraphim
Tomás Luis de Victoria, Sanctus und Benedictus
Cyrillus Kreek, Psalm 137
Ola Gjeilo, Prelude
Ola Gjeilo, Unicornis captivatum
Ola Gjeilo, Northern Lights
Eric Whitacre, Sleep


Eine schrecklich-schöne Erfahrung zwischen Lachen und Weinen – wer kennt sie nicht? Vor allem im intensiven Naturerleben oder aber in der Musik, von deren unmittelbarer Tiefenwirkung jeder berichten, deren konkrete Wirkung man aber meist nur unzureichend beschreiben kann: nicht zu fassen!
Das mussten auch die Philosophen über die Jahrtausende konstatieren, die dieses Gefühl der ästhetischen Erfahrung zu fassen versuchten im Begriff des Erhabenen, Sublimen. Wo Immanuel Kant noch das Überwältigende des Erhabenen in den Vordergrund stellt – als Erfahrung der Ohnmacht gegenüber einem Größeren, Unfassbaren – , da unterstreicht Friedrich Schiller trotz Hin- und Hergerissenseins zwischen Froh-Sinn und Weh-Sinn das Positive dieser unglaublichen Erfahrung: als einen Ausgang aus der emotionalen Gebundenheit an unsere Welt, ein Einblick in eine unerklärliche Freiheit, ein Fenster in Räume über uns.
Das Programm NICHT ZU FASSEN stellt Musik in den Mittelpunkt, die uns Einblicke in die Räume über oder außer uns verschaffen will und die selbst ungreifbare Räume schafft: die Klangräume im Antwortgesang und in den Doppelchören der Renaissance bei Jean Richafort, Jacobus Gallus und Tomás Luis de Victoria. Oder die tief berührenden harmonischen Räume des Estländers Cyrillus Kreek in seiner Vertonung des 137. Psalms von 1944.
Das passende Bild durch Zeiten und Räume gibt uns der Jüngste unter den Komponisten, Ola Gjeilo, der einen hochmittelalterlichen Text vertont hat, das „Unicornis Captivatur“ aus dem Engelberg-Codex von ca. 1170: Das Einhorn scheint gefangen und wird sich doch selbst befreien. Es wird sich seine Wunden selbst heilen und sich wieder davon machen. Niemand hat es je gesehen, aber alle wissen davon zu berichten: Nicht zu fassen!


Das 43. Projekt des Kronenchores.