Linderung



Im Sommer 1999 präsentierte der Kronenchor ein geistliches Programm, in dessen erstem Teil Motetten Alter Musik von Bach und Lechner standen, denen im zweiten Teil romantische Werke von Brahms und Reger folgten.


Der Kronenchor Friedrichstadt arbeitete bei diesem Projekt mit folgenden InstrumentalsolistInnen zusammen:
Beate Meyer-Stolz (Violoncello/Viola da Gamba)
Laszlo Francu-Tamas (Violone)
Arno Schneider (Continuo)


Das erste Konzert fand im Rahmen der “Caputher Musiken” in der dortigen Stülerkirche statt. Ihm folgten zwei Konzerte in Berlin (Hohenzollernkirche in Wilmersdorf und St. Marien am Alexanderplatz in Mitte).


Das Programm:
Johann Sebastian Bach
Singet dem Herrn ein neues Lied
BWV 225, Motette für zwei vierstimmige gemischte Chöre

Leonhard Lechner
Deutsche Sprüche von Leben und Tod (1606)
für vierstimmigen gemischten Chor

Johannes Brahms
Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen
aus: Zwei Motetten für gemischten Chor a cappella op. 74

Max Reger
aus: Acht geistliche Gesänge für gemischten Chor op. 138
Nr. 1 – Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit
Nr. 2 – Morgengesang
Nr. 3 – Nachtlied


Lesen Sie hier Auszüge aus dem Programmheft:
Die Motetten Johann Sebastian Bachs (1685 bis 1750) nehmen nicht nur wegen ihres künstlerischen Ranges eine Sonderstellung ein. Sie sind Nachfahren einer Tradition, die ihren Zenit schon um 1700 überschritten hatte. Noch unbekannt ist der Anlaß, für den Bach 1726 oder 1727 seine gewichtige Motette Singet dem Herrn ein neues Lied (BWV 225), komponiert hat.
Nach Johann Adolph Scheibe konnten Motetten sowohl bei Begräbnissen als auch bei Hochzeiten, Geburtstagen oder Sonn- und Festtagen erklingen. Der besinnliche Mittelsatz mit einer frei gedichteten Aria reicht nicht für eine Einordnung in die Begräbnismotetten. Es überwiegen Jubel, Lob und Dank in den Psalmversen der übrigen Sätze. Wie auch in den anderen Motetten konzentriert sich die anfängliche Achtstimmigkeit gegen Schluß des ersten Satzes zu einer großen schwungvollen vierstimmigen Fuge (“Die Kinder Zion sei´n fröhlich über ihrem Könige”), welche mit dem Eingangsthema (“Singet dem Herrn ein neues Lied”) kombiniert wird.

Die Deutschen Sprüche von Leben und Tod sind ein Spätwerk Leonhard Lechners (1553 – 1606), in denen sein individueller Charakter als Komponist von Chormusik in der Zeit des Wechsels von Renaissance zu Barock deutlich wird. Schon früh war Lechner als Komponist und Musiker (Sänger und Kapellmeister) anerkannt. Sein Stil stand unter dem Einfluß der Schule Orlando di Lassos und dessen Kenntnissen italienischer Musik, die er auf einer Reise durch Italien sammelte.
In den Deutschen Sprüchen von Leben und Tod vertonte Lechner eine frühbarocke Dichtung des damals erst 17-jährigen G.R. Weckherlin. In ihnen wird in prägnanter Weise die Vergänglichkeit des Lebens beschrieben, um in den letzten fünf Strophen dann auf die Beständigkeit Gottes in der unbeständigen Welt hinzuweisen. Der Text wird in wenigen Takten musikalisch vermittelt; die Motette wird quasi zum musikalischen Aphorismus.

Aus Johannes Brahms´ (1833-1898) umfangreichem kompositorischem Schaffen gingen auch zahlreiche a capella Chorwerke hervor. Mehr als andere Komponisten seiner Zeit folgte Brahms (vor allem in seinen früheren Werken) den strengen kontrapunktischen Traditionen alter Meister. Das wird auch in der 1878 entstandenen Motette Warum ist das Licht gegeben (aus: Zwei Motetten op. 74, Nr.1) deutlich.
Brahms greift dabei auf das musikalische Material einer unveröffentlichten Messe in C-Dur aus dem Jahre 1856 zurück und erweitert den Chorsatz auf bis zu 6 Stimmen. Den vier Teilen der Motette wurden vier unterschiedliche Texte zugrunde gelegt (Hiob 3, Klagelieder Jeremiä 3, Jakobusbrief 5, Lutherlied: “Mit Fried und Freud”), die inhaltlich die seelische Wandlung des Hiob beschreiben, der verzweifelt jeglichen Lebensmut verloren hat, schließlich aber Hoffnung findet in seiner Erlösung durch den Tod.

Max Regers (1873-1916) kompositorisches Werk ist ebenso umfangreich wie vielschichtig und umfaßt, mit Ausnahme der Oper, alle Gattungen seiner Zeit. Ausgehend von tradierten Kompositionstechniken entwickelte Reger einen unverkennbar eigenen Stil, der sich schwer zwischen Romantik und Moderne einordnen läßt. Dies verdeutlicht das Urteil seiner Zeitgenosssen. Den einen galt Reger als einer der herausragenden Vertreter der musikalischen Moderne, für die anderen war er gerade ein Gegenpol zu der als zersetzend gescholtenen Moderne.
Den Chorkompositionen hat Reger einen wichtigen Platz eingeräumt. Die satztechnisch schlichten, aber ausdrucksstarken Acht geistliche Gesänge, op. 138, sind im September 1914 als eines seiner letzten Werke entstanden. Der sich in Regers später Schaffensperiode vollziehende stilistische Klärungsprozeß zu einer melodisch wie harmonisch klaren musikalischen Ausdrucksweise wird hörbar.
Der achtstimmige Eingangschor Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit wird nicht, wie es eigentlich der Tradition entspräche, in alternierende Halbchöre geteilt, sondern ist in einem kompakten Satz komponiert. Von den acht Gesängen werden außerdem das Nachtlied und der Morgengesang zu hören sein.



Das 11. Projekt des Kronenchors