Cum Sancto Spiritu



Bach – Martin – Begegnungen


In diesem schon länger geplanten Projekt stand die “Messe pour double choeur a capella” des Schweizer Komponisten Frank Martin (1890 – 1974) im Mittelpunkt unserer Probenarbeit. Mit dem Luisenvocalensemble (Ltg. Dennis Hansel) haben wir die ergreifende fünfteilige geistliche Messe in lateinischer Sprache erklingen lassen. Dazu waren weiterhin die Bach-Motetten “Komm, Jesu, komm” und “Jesu, meine Freude” zu hören.

Die Konzerte fanden am 1. April 2006 in der Luisenkirche Charlottenburg und am 2. April in der Gethsemane-Kirche Prenzlauer Berg statt.


… über Frank Martin …


“When I play the Polyptyque by Frank Martin I feel the same responsibility, the same exaltation as when I play Bach’s Chaconne.” Yehudi Menuhin

“His work stands like a rock and upholds credence in the future of music.” Dietrich Fischer-Dieskau


Es folgen Ausschnitte aus dem Programmheft:

Das gemeinsame Konzert der beiden Kammerchöre Luisen-Vocalensemble und Kronenchor Friedrichstadt bietet Ihnen Höhepunkte geistlicher Chormusik aus dem frühen 18. und dem 20. Jahrhundert zum Teil in doppelchöriger Besetzung.

Die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten, die diese Doppelchörigkeit bietet, nutzten die Komponisten Johann Sebastian Bach und Frank Martin, um ihren religiösen Empfindungen musikalischen Ausdruck zu verleihen. Als das verbindende Thema der Messe von Martin und der beiden ausgewählten Motetten von Bach kann der Geist, die tief gefühlte Spiritualität der beiden Komponisten gesehen werden, die die Musik durchströmt und die sich auf die Interpreten und die Zuhörer überträgt. Auch in der heutigen, verkopften Zeit schafft es diese Musik, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise, Musiker und Zuhörer am Weg der beiden Komponisten zum Geist teilhaben zu lassen.

Diesem im wahrsten Sinne des Wortes geistlichen Hintergrund der dargebotenen Musik folgend wird die Musik nicht getrennt in zwei Blöcken aufgeführt, sondern in einen Zusammenhang gestellt, welcher einer Messe ihrer liturgischen Abfolge entspricht, wobei Martins Messe den Rahmen stellt und Bachs Motetten den Platz des Evangeliums und der Predigt einnehmen.

Frank Martin zählt zu den bedeutendsten Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er wurde als zehntes und letztes Kind einer calvinistischen Pfarrersfamilie, deren Vorfahren als Hugenotten aus Frankreich geflohen waren, am 15.09.1890 in Genf geboren. Obwohl Musik in Martins Leben von klein auf (erste Kompositionen mit acht Jahren) eine bestimmende Rolle spielte, hatte er nur einen einzigen – privaten – Lehrer, Josef Lauber, bei dem er Klavier, Harmonielehre und Komposition lernte. Ein Konservatorium besuchte er nicht.

Martin seinerseits war aber nicht nur Komponist sondern auch engagierter Lehrer. Von 1928 – 1938 unterrichtete er Dozent des Instituts von Emile Jaques-Dalcroze in Genf, der eine neue Form musikalisch-rhythmischer Erziehung entwickelte und der später den Tanztempel in Dresden Hellerau errichtete. Er leitete die Kammermusikklasse des Konservatoriums (1933 – 1939) sowie eine eigene Musikschule. Nach dem zweiten Weltkrieg siedelte er mit seiner holländischen Ehefrau nach Amsterdam, bzw. Naarden um. Von 1950 – 1957 leitete er die Meisterklasse für Komposition an der Musikhochschule Köln. Martin starb im November 1974.

Tiefen Eindruck hinterließ bei Martin eine Aufführung der Bachschen Matthäus-Passion, die er im Alter von 10 Jahren erlebte. Bachs Musik, insbesondere dessen Harmonik hatte von diesem Zeitpunkt an großen und hörbaren Einfluss auf die Entwicklung des eigenen, unverwechselbaren Martinschen Kompositionsstil. Dies macht es besonders reizvoll, nun Werke dieser beiden Komponisten noch dazu derselben Gattung (geistliche Chormusik) einander begegnen zu lassen.

Die “Messe für zwei vierstimmige Chöre” enthält jedoch nicht nur barocke Stilelemente, sondern nimmt Anleihen insbesondere auch an der mittelalterlichen Gregorianik und an der Renaissancemusik. So setzt Martin über weite Strecken Kirchentonarten ein, also Tonleitern “ohne Vorzeichen”, so dass die Halbtonschritte an unterschiedlicher und für unsere Hörgewohnheiten ungewöhnlicher Stelle zu finden sind, verbindet diese aber durchaus auch mit der auch uns noch geläufigen Dur-moll-Modalität.

Obwohl die Messe bereits in den zwanziger Jahren entstand, wurde sie erst 1963 uraufgeführt. Dazu, warum dies so war, Martin (Übersetzung I. Trautmann) selbst:

“Diese Messe entstand 1922, abgesehen vom ‚Agnus Dei’, das ich 1926 schrieb. Es war eine völlig freie, nicht zweckgebunden Arbeit; denn mir war damals kein Chorleiter bekannt, den sie interessiert hätte. […] Auf eine Aufführung legte ich keinen Wert, da ich befürchtete, das Werk würde nur nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Für mich war es eine Angelegenheit zwischen Gott und mir. Das gleiche gilt für ein späteres Weihnachtsoratorium: Mir schien, der Ausdruck religiöser Gefühle müsse verborgen bleiben und habe nicht mit der öffentlichen Meinung zu tun. So ist also die Partitur 40 Jahre lang in einer Schublade liegen geblieben, wenn sie auch der Ordnung halber in die Liste meiner Werke aufgenommen wurde. Dort fand sie im Jahre 1962 Franz W. Brunnert […] Mit seinem Chor brachte er die Komposition dann im Herbst 1963, also 41 Jahre nach ihrer Entstehung, zu Gehör.

Alles, was ich soeben zu der Messe gesagt habe, läßt klar erkennen, dass es sich trotz der großen musikalischen Mittel, die ich eingesetzt habe, um ganz verinnerlichte Musik handelt. Seitdem hat sich meine musikalische Ausdrucksweise wesentlich weiterentwickelt. […] Doch enthält das Werk auch musikalische Elemente, die mir noch heute sehr nahe stehen. Das beste Beispiel dafür ist, dass ich eine Phrase wie die des ‚Et incarnatus est’ in dem unveröffentlicht gebliebenen Weihnachtsoratorium wieder verwendet habe und dass man sie ebenfalls fast unverändert in meinem Oratorium ‚Golgatha’ wieder findet, wo sie den Text ‚Wie er die Seinen liebhatte in dieser Welt, so liebte er sie bis ans Ende’ trägt.”



Das 23. Projekt des Kronenchors