Audi filia!



Geistliche Chormusik aus Österreich, Ungarn und Tschechien


Mit diesem Programm haben wir unseren Themenschwerpunkt auf die Region Österreich, Ungarn und Tschechien gelegt. Es werden unter dem Motto Audi filia! – Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr – nach dem Stück von Lajos Bardos, Werke von György Orban und Zoltan Kodaly erklingen. Auf die Aufführung des Vater unser von Leos Janacek mit dem Tenor Nico Eckert, der Harfenistin Verena Volkmer und dem Organisten Tobias Berndt sind wir sehr gespannt. Das Stück wird in tschechischer Sprache gesungen. Von Anton Bruckner werden wir vier seiner klangvollen Motetten zu Gehör bringen.

Die Konzerte fanden am 11. November in der Kirche am Hohenzollernplatz und am 12. November in der Segenskirche Prenzlauer Berg statt.


Das Programm:

Lajos Bárdos (1899 – 1986):
Audi filia

György Orbán (geb. 1947):
Mundi renovatio

Anton Bruckner (1824 – 1896):
6. Graduale (lydisch)
10. Vexilla regis

Anton Heiller (1923 – 1979):
Ave Maria
für Tenor und Orgel

Anton Bruckner (1824 – 1896):
1. Ave Maria

Zoltán Kodály (1882 – 1967):
Jesus und die Krämer

Béla Bartók (1881 – 1945):
Ein Abend am Lande für Harfe solo

Leoš Janácek (1854 – 1928):
Vater unser


Es folgen hier Ausschnitte aus dem Programmheft:
Seine Festmotette zu Ehren der Heiligen Cäcilie, der Patronin der Kirchenmusik, der Schutzheiligen der Organisten, Orgel- und Instrumentenbauer, Sänger und Musiker, komponierte Lajos Bárdos 1937, offenbar für den von ihm geleiteten Budapester Cäcilien-Chor. Schüler von Kodály, war Bárdos als Komponist, Musikforscher und Dirigent gleichermaßen erfolgreich und unterrichtete im Hauptberuf über 40 Jahre lang Chorleitung an der Budapester Musikakademie. Er war eine Institution in Budapest und erreichte mit seinen Chören internationalen Ruhm. Seine Musiksprache ist aus vielen Quellen gespeist: Der vorbarocken Vokalmusik, aber auch aus den Traditionen Bartóks und Kodálys. Eine besondere Aufmerksamkeit Bárdos’ galt der Prosodie, der korrekten Betonung und differenzierten Sprachvertonung. Für den Text seiner Motette greift Bárdos auf einen gregorianischen Gesang zurück, in dem einzelne Zeilen aus dem 45. Psalm sowie das bekannte Gleichnis der klugen und der törichten Jungfrauen aus dem 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums kombiniert sind.

Ähnlich wie Bárdos greift auch György Orbán auf einen mittelalterlichen Text zurück; in diesem Falle auf eine für das Osterfest gedichtete mittellateinische Sequenz von Adam von St.Victor (Paris, + Ende des 12.Jh.). Orbán, in Rumänien geboren und dort ausgebildet, ging 1979 nach Budapest, um dort das Lektorat des größten ungarischen Musikverlags zu übernehmen und wurde 1982 Professor für Theorie und Komposition. Zunächst rein avantgardistisch ausgerichtet, wandte sich Orbán seit Mitte der achtziger Jahre einem neotonalen Stil zu und komponiert seither fast nur noch religiöse bzw. liturgische Werke, in die er jedoch auch Elemente des Jazz sowie groteske und humoristische Momente zu integrieren weiß. Die lateinische Sprache dient dabei oft als rein neutrales bzw. neutralisierendes und verfremdendes Material, bei dem der Lautcharakter wichtiger ist als der Inhalt.

Bei mehreren Reisen nach England anfangs der 20er Jahre lernte Zoltán Kodály, der nach Vorbildern und erfolgreichen Methoden im Hinblick auf eine Neuorganisation des ungarischen Musiklebens suchte, die hochentwickelte englische Chorpraxis kennen, die so in Ungarn noch nicht verbreitet war. Unter diesem Eindruck entstanden mehrere Werke, noch im Jahr 1934 die Motette “Jesus und die Krämer” (“Jézsus és a kufárok”). Die forcierte Dramatik der Erzählung von der Austreibung der Händler aus dem Tempel, die Kodály in einer verdichteten Fassung aufgrund der Überlieferung mehrerer Evangelien erstellte, findet ihre Entsprechung in der Dramatik des musikalischen Geschehens mit komplizierter Harmonik, extremen Lagen für die hohen Stimmen und vielen Taktwechseln; hinzu kommen prägnante Textdeklamationen im unisono. Das Konzept sollte eine höchstmöglich organisierte Komposition von gleichzeitig größter Bildhaftigkeit erbringen: Jedes Detail des biblischen Berichts beschwört in der Tat eine neue Atmosphäre, andererseits ist das Werk in hohem Maße musikalisch-strukturell durchorganisiert. Jesus ist hier nicht der milde Friedensbringer, sondern der zornige junge Mann, der das Heiligtum mit Geißelhieben räumt. Passagen höchster Erregung wechseln mit solcher größter Ruhe. Besondere Bedeutung hat Kodály dem Wart “gottlos” durch mehr als 20malige Wiederholung gegeben.
Kodály hat diese Motette und andere seiner Chorkompositionen in einem Konzert mit dem Chor der BBC im Januar 1936 in London selbst geleitet; angeblich dirigierte er bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal einen A-cappella-Chor. Der lange in Deutschland lebende ungarische Musikwissenschaftler Bence Szabolcsi übernahm später die heikle Aufgabe einer Übertragung ins Deutsche.
In dem für die Musik des 20. Jahrhunderts so wichtigen Jahr 1908 komponierte Béla Bartók eine ganze Reihe von kleinen Klavierstücken, in denen er alle Möglichkeiten und Ansatzpunkte erforschte, die die Volksmusik für die Komposition von Kunstmusik erbringen konnte. Denn Bartók hatte bereits jahrelang die vom Untergang bedrohte osteuropäische Volksmusik zu sammeln und zu erforschen begonnen; planmäßig und mit allem wissenschaftlichen Rüstzeug unternahm er Feldforschungen in Ungarn, in Rumänien, der Slowakei und anderswo. Eine Reihe dieser Klavierstücke bearbeitete er später für Orchester, darunter “Abend am Lande”, das heute in einer weiteren Bearbeitung (allerdings nicht von Bartók selbst) für Harfe zu hören ist. Dieses Stück kommentierte Bartók knapp und sachlich selbst in einem Konzert in New York im Juli 1944: “Das Werk ist original, das heißt die Melodien sind von mir, wenn auch im Stil der siebenbürgischen Volksweisen. Das Stück hat zwei Themen, das erste mit Parlando-Rubato-Charakter, das zweite im schnellen Tanzrhythmus. Dieses zweite Thema soll mehr oder weniger das Spiel der Bauernflöte imitieren. Das Muster des Parlando-Rubato-Themas war ursprünglich eine gesungene Melodie. Die Form des Stückes ist A-B-A-B-A.”

Anton Heillers “Ave Maria” für hohe Stimme und Orgel entstand 1947, kurze Zeit nachdem der junge Komponist nach eigener Ausbildung und Kriegsdienst zum Lehrer für Orgelspiel (“Vortragslehrer für Orgel”, wie es in Wien hieß) an der kirchenmusikalischen Abteilung der Musikakademie in Wien ernannt worden war; eine Stellung, die er bis zu seinem Tod ausüben sollte. Heiller war der bekannteste Exponent der kirchenmusikalischen Reform in Österreich, die versuchte, die katholische Kirchenmusik durch die Integration von Elementen der Musiksprache der Moderne zu öffnen, ohne sie dadurch ihres liturgischen Charakters zu berauben. Als Orgellehrer bildete er eine ganze Generation von Organisten heran, die teilweise noch bis heute die Kirchenmusik in den prominentesten Kirchen in Österreich beherrscht.



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